Haushaltsplan 2024 verabschiedet
Haushaltsrede der Grünen im Stadtrat
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder der Stadtverwaltung,
sehr geehrte Ortsvorsteher:innen,
liebe Kolleg:innen des Gemeinderats und – last but not least – liebe Bürger:innen,
selten gab es gleichzeitig so viele Krisen wie jetzt. Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine tobt seit fast zwei Jahren. Der Überfall der Hamas auf Israel kam noch hinzu. Wir haben eine Haushaltskrise und – das dürfen wir nicht vergessen – die Klimakrise macht deswegen keine Pause. Von all diesen Problemen sind wir in Bad Mergentheim keineswegs verschont. Die Inflation spüren alle im Geldbeutel. Im Winter haben wir mehr Regen, die Sommer werden immer heißer und trockener. Wie schön ist es da, dass wir uns über einen Poller in der Frommengasse, den Martinsumzug oder über eine Weihnachtsmarkthütte auf dem Marktplatz ereifern. Glücklich, wer nur solche Sorgen hat.
Rückblick
Im Jahr 2023 ging manches in unserer Stadt voran. Der Neubau der Grundschule Auenland und die Schulsanierungen machen Fortschritte. Dringend nötige zusätzliche Kita-Plätze wurden geschaffen. Die Umgestaltung des Gänsmarkts wurde endlich begonnen. Von Markelsheim nach Apfelbach gibt es einen neuen Radweg. Wir begrüßen sehr, dass wir jetzt einen Kommunalen Wärmeplan und ein neues Biotopverbundkonzept haben. Mit Bebauungsplänen für Freiflächen-PV-Anlagen leisten wir einen Beitrag zur Energiewende. Schön ist, dass die Stelle für eine/n Klimaschutzmanager/in geschaffen wurde. Schade nur, dass wir sie noch nicht besetzen konnten und dass unser Antrag, ihr auch ein Budget zuzubilligen, mehrheitlich abgelehnt worden ist. Die Erfolgsbilanz der Stadt wurde ja bereits von meinen Vorrednern ausgeführt. Deshalb kann ich mich nun auf die Probleme eingehen.
Viele Vorhaben konnten erneut nicht realisiert werden. Das ehemalige Alten- und Pflegeheim wartet weiter auf eine Nutzung. Dabei könnten wir es für die Unterbringung von Geflüchteten sehr gut gebrauchen. Keine Frage, Geflüchtete aufzunehmen ist eine große Herausforderung. Dafür müssen wir Lösungen entwickeln, statt Ängste zu schüren. Geflüchtete brauchen ein Dach über dem Kopf, Kindergärten, Schulen und Integrationskurse. Sie aufzunehmen ist aber nicht nur eine humanitäre Verpflichtung, sondern auch eine große Chance für unsere alternde Gesellschaft, die zunehmend unter einem Mangel an Arbeitskräften leidet und auf Migration angewiesen ist. Dass Geflüchtete bei uns in Bad Mergentheim ein Jahr lang und mehr auf einen Deutschkurs warten müssen, weil die VHS zu wenige Räume und Dozenten hat, verzögert leider, dass diese Menschen in Arbeit kommen. Wir danken den Lehrerinnen und Lehrern ganz herzlich, einer sitzt hier am Tisch, die diese Lücke mit ehrenamtlich durchgeführten Sprachkursen beim Arbeitskreis Asyl zu schließen versuchen.
Für das seit Jahren brach liegende Sägewerks-Areal wurde jetzt endlich ein Planungsauftrag vergeben. Das hätte man längst tun können. Damit könnte der eklatante Mangel an bezahlbarem Wohnraum in unserer Stadt abgemildert werden. Die Wohnungsnot bekämpfen wollten wir mit unserem Antrag, es Eigentümern mit einer Mietausfallbürgschaft und Haftungsübernahme seitens der Stadt zu erleichtern, ihre leer stehenden Wohnungen dem Wohnungsmarkt wieder zur Verfügung zu stellen. Auch dieser Antrag wurde uns leider abgelehnt.
Für das Burger-Haus am Marktplatz fehlt weiter eine tragfähige Konzeption. Die Sanierung des Unteren Graben 1, dem früheren Bali-Kino, kommt ebenfalls nur schleppend voran. Dabei benötigt die ständig wachsende Stadtverwaltung dringend weitere Räume. Der nach § 8 PBefG bis zum 1.1.20222 vorgeschriebene vollständige barrierefreie Umbau der Bushaltestellen wurde auch 2023 nicht vorgenommen, obwohl das im Haushalt eingeplant war. Für die Umsetzung der Vorschläge aus dem Fußverkehrs-Check war ebenfalls Geld im Haushalt veranschlagt. Ausgegeben wurde es nicht. Schlimmer noch, unser Antrag, es wieder in den Haushaltsplan einzustellen, wurde abgelehnt. Die für Anfang 2023 versprochene Fußgängerampel in der Herrenwiesenstraße, ich habe sie noch nicht entdeckt. Zu Beginn des nächsten Jahres hätte ein neues Stadtbuskonzept in Betrieb gehen sollen. Es wurde nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht, so dass das alte verlängert werden musste, obwohl es oft nicht funktioniert. Während der Umweltverbund also stiefmütterlich behandelt wird träumen viele von einer Ausweitung des Parkplatzangebots mit einem großen Parkhaus im Stadtgarten-Quartier. Mangelhaft bleiben unsere Angebote für Menschen, die aufs Autofahren verzichten wollen.
Klagen erreichen uns auch aus den Stadtteilen, dass versprochene, geplante und finanzierte Maßnahmen, wie ein Raum für die Jugendfeuerwehr in Löffelstelzen, nicht gemacht worden sind.
Die Erschließung von Neubaugebieten in den Stadtteilen nach §13b BauGB haben wir stets kritisiert, weil damit Umweltauflagen und die Raumplanung des Regionalverbands umgangen werden. Mit seinem Urteil vom 18.07.23 hat das Bundesverwaltungsgericht nun festgestellt, dass Bebauungspläne nach § 13b BauGB ungültig sind, weil dieser gegen Europarecht verstößt. Der exzessive Landverbrauch ist damit gestoppt. Für die Stadt Bad Mergentheim bedeutet dies, dass sie zwei Bebauungspläne neu machen und den Bedarf dafür und für weitere Neubaugebiete nachweisen muss.
Wie in all den Vorjahren müssen wir feststellen, dass unsere Stadtverwaltung gar nicht die personellen Ressourcen hat, all die vielen Aufgaben zu bewältigen, die ihr vom Gemeinderat gestellt werden. Der Gemeinderat sollte sich zügeln, statt die Verwaltung mit immer neuen Arbeiten zu überfordern. Das Haushaltsergebnis verbessert sich durch die Verzögerungen zwar. Es wäre aber viel sinnvoller, Maßnahmen erst dann in den Haushaltsplan aufzunehmen, wenn sie auch durchgeführt werden können, was Kämmerer Wirtz mit Recht fordert. Alternativ müssten mehr Planungsaufträge extern vergeben werden.
Schulden
Die letzten Jahre verliefen finanziell zum Glück besser als erwartet. Von 2015 bis 2022 konnte die Verschuldung des Kernhaushalts von 27,5 auf 18,8 Mio. € verringert und Rücklagen gebildet werden. Das ist zu einem Großteil darauf zurückzuführen, dass geplante Vorhaben nicht umgesetzt und die eingeplanten Gelder nicht ausgegeben wurden. Gleichzeitig haben sich die Einnahmen unerwartet erhöht. In der Schuldentabelle des Statischen Landesamtes hat sich Bad Mergentheim dadurch allerdings nur wenig verbessert. Standen wir im Vorjahr unter den 1.101 Kommunen in Baden-Württemberg noch auf Platz 70, stehen wir Ende 2022 auf Platz 95, d.h. nach wie vor unter den 10% der am höchsten verschuldeten Gemeinden des Landes.
Für 2023 wird wieder eine Nettoneuverschuldung von ca. 3 Mio. € erwartet. Ganz dramatisch wird es aber in den kommenden Jahren. Es zeichnet sich bis 2026 allein im Kernhaushalt ein Anstieg der Schulden auf 62 Mio. € ab, d.h. mehr als das Dreifache des heutigen Niveaus! Das ist vor allem auf die hohen Investitionen für die Schulen und Kindergärten zurückzuführen. Hinzu kommen Kredite über 7,8 Mio. € im Eigenbetrieb Abwasser. Die Gesamtverschuldung der Stadt steigt in 2024 auf 97 Mio. Euro. Wir gehen zwar davon aus, dass das Jahr 2024 am Ende wieder etwas besser verlaufen könnte als gedacht, weil sich viele Projekte erneut verschieben werden. Die Lage ist gleichwohl erschreckend. Sie sollte die Alarmglocken schrillen lassen und uns veranlassen gegenzusteuern.
Um Missverständnisse zu vermeiden, wir Grüne lehnen Kredite nicht grundsätzlich ab. Sinnvoll sind sie für rentierliche Investitionen wie für die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik oder die energetische Gebäudesanierung, nicht jedoch für wünschenswerte, nicht notwendige Vorhaben, die anschließend auch noch einen hohen Unterhaltungsaufwand verursachen. Denken wir bitte daran, dass wir 2034 eine Landesgartenschau ausrichten, die große Chancen für die Stadtentwicklung bietet, aber auch viel kostet. Der Rahmenplan dafür weist aktuell Investitionskosten von über 46 Mio. Euro aus! Selbst wenn wir 50% davon als Zuschuss bekommen ist uns ein Rätsel, wie die andere Hälfte als Eigenmittel der Stadt aufgebracht werden kann. Denn diese Kosten kommen zu den Pflichtaufgaben wie dem Bau von Schulen und Kindergärten hinzu. Deshalb dürfen wir nicht heute das ganze Pulver verschießen, das wir für die LGS noch brauchen.
Sparsamer wirtschaften
Bei unserem großen Schuldenberg sollten wir sparsam wirtschaften und unnötige Ausgaben vermeiden. Den Unterhaltungsaufwand für die Grundschulgebäude in Stuppach und Neunkirchen hätte man verringern können, wenn man stattdessen unserem Vorschlag gefolgt wäre, die leeren Schulräume in Wachbach zu nutzen und dort eine funktionierende zweizügige Grundschule mit Mensa und Ganztagsbetreuung zu betreiben.
Leider haben wir uns angewöhnt, nicht mehr benötigte Immobilien weder zu verkaufen, noch stillzulegen, sondern neue Nutzungen dafür zu finden. Das gilt für den alten Kindergarten und die leeren Schulräume in Wachbach ebenso wie für das ehemalige Feuerwehrgerätehaus in Markelsheim. Angewandt wird eine Salamitaktik. Die Zehntscheune in Markelsheim sollte zunächst für kleines Geld nur einen ebenen Boden bekommen. Nun stellt sich heraus, dass sie für 250.000 € ausgebaut werden soll. Man muss kein Prophet sein um zu prognostizieren, dass das noch nicht das letzte Wort sein wird. Der Appetit auf mehr kommt beim Essen.
Einnahmen verbessern
Entgegen dem Haushaltskonsolidierungskonzept des Gemeinderats von 2015 haben wir es versäumt, unsere Gebühren regelmäßig neu zu kalkulieren und an die Inflation anzupassen. Die Fremdenverkehrsabgabe wurde sogar gesenkt, die Anpassung der Kindergartengebühren verschoben. Die Gebührenordnung für die Jugendmusikschule stammt aus 2019. Die Parkgebühren in unseren Parkhäusern wurden letztmals 2016, die Gebühren der Stadtbücherei 2012 festgelegt. Während die Schwimmer mit ihren Eintrittsgeldern einen Beitrag zu den von ihnen verursachten Kosten leisten, ist die Nutzung unserer Sporthallen weiterhin kostenlos. Mit unserem Antrag, eine Hallenbenutzungsgebühr einzuführen, sind wir leider erneut gescheitert. Allein auf Grund der Inflation kam es de facto zu Gebührensenkungen. Wir haben deshalb gefordert, im kommenden Jahr alle Gebühren neu zu kalkulieren und an die Entwicklung anzupassen. Die Verwaltung hat versprochen, dem Gemeinderat entsprechende Vorlagen zu erarbeiten. Wir sind sicher, dass unsere Bürger:innen Verständnis für maßvolle Kostensteigerungen haben werden.
Fazit
Die Stadt Bad Mergentheim ist mit einem großen, schwerfälligen Container-Schiff zu vergleichen, das seinen Kurs nur sehr langsam ändert. Der Kapitän überlässt das Steuer oft seinen Offizieren. Zudem sind sich die Lotsen uneinig darüber, was der richtige Kurs ist. Die Mehrheit will den bisherigen beibehalten. Wir Grüne befürchten, damit auf Grund zu laufen und drängen auf eine Kursänderung. In Bad Mergentheim kann man gut leben, mit unseren Konzepten ginge es noch besser. Wir sollten unsere Stadt nachhaltiger und lebenswerter machen. Dazu müsste mehr Geld in den Gebäudeunterhalt investiert werden und weniger in lediglich Wünschenswertes. Andernfalls werden uns die Kosten zum Verhängnis.
Am 22. April 2024 jährt sich die Geburt des großen Philosophen der Aufklärung, Immanuel Kant, zum dreihundertsten Mal. Berühmt wurde er unter anderem mit seinem Werk „Kritik der praktischen Vernunft“, in dem er den kategorischen Imperativ formulierte: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Das Kant-Jahr 2024 möchte ich zum Anlass nehmen um zu fragen, inwieweit unsere Handlungen seinem kategorischen Imperativ gehorchen.
Sind sie damit vereinbar? Ich denke nein. Die Mergentheimer Kommunalpolitik tut zu wenig, um den Verbrauch an fossiler Energie zu reduzieren und Klimaschutz zu betreiben. Die Versiegelung von landwirtschaftlich genutzten Flächen hat bei uns noch immer Vorrang vor der Innenentwicklung, siehe FWGH Stuppach. Es werden neue Immobilien gekauft und gebaut, ohne sich von den alten, entbehrlichen zu trennen. Wir investieren zu wenig in den Gebäudeunterhalt und hinterlassen unseren Nachfolgern einen Sanierungsstau und einen immensen Schuldenberg. Sowohl ökologisch, als auch finanziell fehlt es an Nachhaltigkeit.
Überrascht waren wir von den Haushaltsanträgen anderer Fraktionen. Wir hatten erwartet, dass sie vor allem Einsparungen vorschlagen, um ein ausgeglicheneres Ergebnis zu erreichen. Das ist kaum passiert. Vielmehr wurden etliche zusätzliche Ausgaben für Wünschenswertes, aber nicht Notwendiges in den Stadthaushalt aufgenommen. Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der Kämmerei sieht das Gesamtergebnis zwar etwas besser aus. Doch das ist reine Augenwischerei. Der um 2 Mio. € geringere Zahlungsmittelbedarf ist im Wesentlichen nicht auf Ausgabendisziplin zurückzuführen, sondern auf mehr Gewerbesteuer und darauf, dass Ausgaben durch Verpflichtungsermächtigungen ins darauffolgende Jahr verschoben wurden. Der Haushalt 2024 wird zu Lasten des Haushalts 2025 geschönt. Wir haben uns dagegen einen sparsameren Umgang mit den Steuergeldern und Einnahmeerhöhungen gewünscht, um finanzielle Nachhaltigkeit zu erreichen. Damit konnten wir uns leider nicht durchsetzen. Deshalb können wir nur dem Stellenplan und dem Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Abwasser zustimmen, nicht aber der Haushaltssatzung.
Wir Grüne sehen vieles anders als die Mehrheit im Gemeinderat. Die Haushaltsberatungen verliefen daher oft kontrovers, gleichwohl aber in einer guten Atmosphäre. Dafür danken wir dem Gremium. Ein besonderer Dank gilt wieder unserem Kämmerer Artur Wirtz und seinem Team für die transparente und verständliche Aufbereitung der Daten, sowie Oberbürgermeister Udo Glatthaar für die ausgleichende Sitzungsleitung. Wir wünschen allen ein besinnliches Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr 2024.