Keine Lobby für Fußgänger*innen

Fußgängerunterführung Bahnhofsplatz
Unnötige Barriere für Zu-Fuß-Gehende:
Die Unterführung Bahnhofsplatz

Zufußgehen ist die natürlichste Fortbewegungsart des Menschen. In der Stadt- und Verkehrsplanung spielt sie dennoch nur eine untergeordnete Rolle. Zu-Fuß-Gehende haben keine Lobby. Es gibt keine Wirtschaftsunternehmen, die an ihnen verdienen könnten. Daher verwundert es nicht, dass sich niemand für sie stark macht. Und obwohl fast alle Menschen Wege zu Fuß zurücklegen, setzt sich kaum jemand dafür ein, dass die Bedürfnisse des Fußverkehrs angemessen berücksichtigt werden. Beispiele für die Vernachlässigung und Benachteiligung des Fußverkehrs gibt es in Bad Mergentheim zahlreich.

Um das zu ändern fordern wir von der Stadt die Entwicklung einer Fußverkehrsstrategie. Dabei kann es z.B. darum gehen, ausreichend breite und komfortable Fußwege zu schaffen, Barrieren und Hindernisse zu beseitigen, Fußgängerüberwege einzurichten, längere Grünphasen für Fußgänger:innen zu schalten oder das Parken auf Gehwegen zu verhindern. Mehr Platz für Zu-Fuß-Gehende macht unsere Stadt attraktiver. Er ermöglicht es, angstfrei und entspannt durch die Stadt zu schlendern. Die erhöhte Aufenthaltsqualität kommt allen zugute.

Vorrang hat das Auto

Fußgängerunterführung Bahnhofsplatz

Damit der Autoverkehr ungehindert über den Bahnhofplatz rollen kann und nicht anhalten muss, wird der Fußverkehr in eine dunkle und verschmutzte Unterführung gezwungen. Die Treppe stellt nicht nur für Behinderte, Rollatoren und Kinderwagen eine unüberwindliche Barriere dar. Vielmehr mutet sie allen Zu-Fuß-Gehenden die Überwindung eines Höhenunterschieds zu. Die Folge davon ist, dass viele Menschen diese Unterführung vermeiden und den Bahnhofplatz ungeschützt zwischen den fahrenden Autos überqueren. Deutlicher als hier kann man nicht mehr zeigen, welche Prioritäten die Verkehrsplanung in Bad Mergentheim gesetzt hat.

Restfläche für den Fußverkehr

Ampel im Alemannenweg Bad Mergentheim
Ampel mitten im Gehweg

Auch dieses Bild zeigt deutlich, welcher Stellenwert dem Fußverkehr in Bad Mergentheim eingeräumt wird. Die Ampel für den Fahrverkehr im Alemannenweg wurde mitten in den Gehweg gesetzt. Fußgänger*innen müssen sich links und rechts daran vorbei zwängen. Besondere Schwierigkeiten damit haben Rollstuhlfahrer:innen und Eltern mit Zwillingskinderwagen. Vorrang hat hier einmal mehr das Auto, dessen Ampel auch noch den Platz für den Fußverkehr belegt. Zu-Fuß-Gehende werden auf eine minimale Restfläche abgedrängt.

Die Stadt erlaubt unzulässiges Gehwegparken

Vom Ordnungsamt erlaubtes Gehwegparken
in der Oberen Mauergasse

Das Ordnungsamt der Stadt Bad Mergentheim hat in der Oberen Mauergasse offenbar kein Problem damit, eigentlich unzulässiges Gehwegparken zu erlauben. Das Abstellen von Autos auf dem Gehweg darf nur dann mit einer entsprechenden Markierung gestattet werden, wenn für den Fußverkehr noch mindestens 1,50 Meter Platz verbleibt. Das ist hier eindeutig nicht der Fall, selbst wenn sich die Autofahrenden an die Markierung halten würden. Zu-Fuß-Gehenden bleibt hier nichts anderes übrig als auf die Fahrbahn auszuweichen und damit ein Sicherheitsrisiko einzugehen. Deutlicher kann die Stadtverwaltung nicht machen, wie stark sie die Autofahrenden bevorzugt und den Fußverkehr benachteiligt und gefährdet.

Barrieren beseitigen

Unnötiger Umweg für Zu-Fuß-Gehende:
Die Unterführung beim Schellenhäusle

Der Weg von der Milchlingstraße in den Schlosspark ist eine weiteres Beispiel dafür, wie der Fußverkehr zugunsten des Autoverkehrs benachteiligt und in eine Unterführung gezwungen wird (Foto). Die grüne Stadtratsfraktion hat beantragt, dieses Hindernis zu beseitigen und eine ebenerdige, mit Ampel geschützte Fußgängerfurt einzurichten. Damit kann gleichzeitig der Konflikt zwischen Fuß- und Radverkehr beseitigt werden. Denn die Unterführung wird derzeit von Radlern im Schülerverkehr intensiv genutzt. Wenn es die ebenerdige Straßenüberquerung gibt, kann die Unterführung für den Radverkehr freigegeben werden.

Seitdem die Igersheimer Straße keine Bundesstraße mehr ist, kann die Stadt allein über eine solche Änderung entscheiden. Der Rückgang des Autoverkehrs macht die Fußgängerfurt möglich.

Miserable Fußverbindung zum Einkaufszentrum

Fehlender Bahnübergang zum Einkaufszentrum

Eine vom Gemeinderat als unverzichtbar betrachtete Bedingung für den Bau des Einkaufszentrums auf dem ehemaligen Güterbahnhofgelände war eine gute Fußverkehrsverbindung zwischen der Bad Mergentheimer Innenstadt und dem "Activ-Center". Ziel war, die Besucher des Einkaufszentrums zu Fuß auch in die Innenstadt zu führen. Damit hätte der Einzelhandel in der Altstadt, der sich wegen der neuen Konkurrenz Existenzsorgen machte, vom Activ-Center profitiert. Geplant und mit dem Investor vertraglich vereinbart war ein neuer ebenerdiger Bahnübergang für Fußgänger am Bahnhof. Damit hätte vom Haupteingang des Einkaufszentrums über die Bahngleise, die Bahnhofstraße, den Gänsmarkt und die Kirchstraße eine direkte Fußverkehrsverbindung zwischen dem Einkaufszentrum und der Fußgängerzone bestanden. Dieser Plan scheiterte jedoch leider am Widerstand der Westfrankenbahn, die einen solchen Übergang zunächst zugesagt, später aber abgelehnt hat.

Blick in die Härterichstraße Bad Mergentheim
Die Härterichstraße

Die Innenstadt ist heute für den Fußverkehr nur über die Härterichstraße (Foto) mit dem Nebeneingang des Activ-Centers in der Wolfgangstraße verbunden. Doch dieser Weg ist wenig attraktiv. Die meiste Verkehrsfläche wird vom Autoverkehr beansprucht. Die Fußgänger werden auf schmale Gehwege gezwungen, auf denen sich kaum zwei Menschen begegnen können, ohne auf die Straße ausweichen zu müssen. Die schmalen Gehwege werden noch dazu häufig von Werbeständern, Verkehrszeichen, Mülleimern oder gar parkenden Fahrzeugen blockiert.

Der Eingang Wolfgangstraße des Activ-Centers ist zudem wenig kundenfreundlich. Über eine Treppe bzw. mit einem Lift muss man zunächst ins Obergeschoss. Dort führt ein Gang ins zentrale Treppenhaus, über das man mit dem Aufzug oder über die Treppe die Hauptgeschäfte im Erdgeschoss erreicht.

Große Verbesserungschance verpasst

Autostau in der Härterichstraße in Bad Mergentheim
Autostau in der Härterichstraße

Das Stadtwerk Tauberfranken hat ein neues Holzhackschnitzel-Heizkraftwerk erstellt. Über ein Netz von Fernwärmeleitungen versorgt es zahlreiche Gebäude in der Stadt mit CO2-neutraler Wärme und erzeugt gleichzeitig Strom. Bei der Leitungsverlegung bekamen etliche Straßen einen neuen Fahrbahnbelag. Dies war auch in der Härterichstraße der Fall.

Wir Grüne haben im Stadtrat beantragt, die Härterichstraße nach der Leitungsverlegung nicht nur mit neuem Asphalt zu versehen, sondern gleichzeitig mehr Raum für den Fußverkehr zu schaffen. Die Trennung der Verkehrsfläche in eine Fahrbahn für die Autos und in Gehwege für den Fußverkehr sollte zu Gunsten einer gemeinsam genutzten Mischfläche aufgegeben werden. Auf dem Deutschordensplatz und in der Kapuzinerstraße funktioniert das bereits bestens. Dies hätte die Attraktivität für zu Fuß Gehende deutlich erhöht und die Fußweganbindung des Einkaufszentrums an die Innenstadt verbessert. Unsere wiederholten Forderungen und Anträge im Gemeinderat wurden jedoch stets abgelehnt. Statt dessen wurde lediglich ein neuer Fahrbahnbelag aufgebracht. Diese Chance hat der Gemeinderat leichtfertig vergeben.

Der Gänsmarkt soll neu gestaltet werden und dauerhaft nicht mehr vom Kfz-Verkehr überfahren werden. Wir setzen uns dafür ein, dass mit der Neugestaltung des Gänsmarkts auch die Bahnhof- und die Härterichstraße mit einer durchgehenden Mischfläche für alle Verkehrsarten versehen und als verkehrsberuhigte Zone ausgewiesen werden. Damit könnten die Zu-Fuß-Gehenden die gesamte Straßenfläche nutzen und würden nicht mehr auf die zu schmalen Gehwege verdrängt.

Fußverkehrs-Check

Ein guter Einstieg in die Entwicklung einer Fußverkehrsstrategie kann ein professioneller Fußverkehrs-Check sein. Am 12. März 2022 haben wir den Antrag gestellt, dass sich die Stadt Bad Mergentheim beim Verkehrsministerium um einen der begehrten Fußverkehrs-Checks bewirbt. Wir freuen uns sehr, dass dies geschehen ist und unsere Stadt das Glück hat zu den 15 Kommunen zu gehören, deren Antrag bewilligt worden ist. Gemeinsam mit der Bürgerschaft soll sich eine neue Geh-Kultur entwickeln, die sich positiv auf die Lebensqualität in der Stadt auswirkt. Wir bitten die Bürger:innen darum, sich an diesem Prozess zu beteiligen indem sie zum Beispiel an den geplanten Begehungen teilnehmen und Vorschläge zur Verbesserung der Infrastruktur für den Fußverkehr machen.