Fragwürdige Forderungen der Citygemeinschaft
Der Einzelhandel in den Innenstädten hat Probleme. Während Corona sind bei vielen Geschäften die Umsätze eingebrochen. Die dramatisch gestiegenen Energiepreise haben die Kosten der Ladenbesitzer in die Höhe getrieben und bei den Kunden gleichzeitig eine Kaufzurückhaltung ausgelöst. Der Online-Handel macht dem stationären zunehmend Konkurrenz. Die Existenzsorgen des Einzelhandels können wir daher gut nachvollziehen. Was ist zu tun?
Der Mythos vom Parkplatzmangel
Die Citygemeinschaft ist davon überzeugt, dass die Kunden wegbleiben, weil sie keinen zentrumsnahen Parkplatz in Bad Mergentheim finden oder mit dem Auto nicht mehr über den Deutschordensplatz und Gänsmarkt fahren dürfen. Von der Stadt fordern sie weitere Parkplätze in fußläufiger Entfernung zum Stadtzentrum. Sie beklagen jeden Parkplatz, der entfällt, z.B. auf dem Gänsmarkt. Dass auf dem Hans-Heinrich-Ehrler-Platz und in der Schillerstraße weitere Parkplätze abmarkiert wurden, unterschlägt sie.
Nach Ansicht ihres Vorsitzenden Hans-Joachim Kuhn war es eine Zumutung für den Einzelhandel, das Überfahren des Gänsmarkts und des Deutschordensplatzes zu unterbinden. Für ihn ist "unfassbar", dass der Gemeinderat nach 7 Jahren die Parkgebühren anhebt, um 10ct pro Zeiteinheit. Er prophezeit deswegen eine Abwanderung von Kunden nach Würzburg und weitere Ladenschließungen.
Geht es nach der Citygemeinschaft, soll die Stadt für viel Geld weitere Parkplätze bauen. Womit die bezahlt werden sollen, sagt sie dagegen nicht. Bei den Parkgebühren soll es jedenfalls noch nicht einmal einen Inflationsausgleich geben. Auf die Erhöhung zu verzichten hätte bedeutet, dass die Einnahmen der Stadt sogar sinken, weil sie von ihren Parkgebühren ab 2023 Umsatzsteuer abführen muss.
Wir erinnern daran, dass die Tiefgarage Altstadt-Schloss vor allem auf Druck der Citygemeinschaft gebaut worden ist. Deren Parkplätze waren für die Einzelhandelskunden gedacht. Weil die Tiefgarage aber nur äußerst selten voll wurde, obwohl die erste Stunde dort gebührenfrei ist, sind 60 Parkplätze an Dauerparker vermietet worden. Sie verursacht dennoch ein jährliches Defizit von rund 250.000 Euro.
Aufenthaltsqualität erhöhen
Wir sind für eine ganz andere Problemlösung als der Vorstand der Citygemeinschaft. Parkplätze sind weder zu rar, noch der entscheidende Faktor. In seinem von der Stadt Bad Mergentheim beauftragten Verkehrskonzept Innenstadt hat der Gutachter Jochen Richard die Belegung der Parkplätze untersucht und festgestellt, dass es kein Parkplatzdefizit in Mergentheim gibt. Im Wettbewerb mit dem Online-Handel und den Einkaufsmärkten in den Gewerbegebieten haben die Innenstädte dann gute Chancen, wenn das Einkaufen ein Erlebnis ist. Ungestört vom Autoverkehr in der historischen Innenstadt bummeln, Kinder spielen lassen, Eis essen oder Kaffee trinken und Leute treffen ist dann möglich, wenn die Aufenthaltsqualität erhöht wird. Deshalb waren und sind wir für die Neugestaltung des Gänsmarkts und die Sperrung des Deutschordensplatzes für den Autoverkehr. Veranstaltungen können zusätzlich dazu beitragen, dass Menschen in die Stadt kommen. Zudem unterstützt die Stadt den Einzelhandel mit einer Innenstadtberatung dabei, seine Attraktivität zu erhöhen.
Die Stadtentwicklung kann nicht ausschließlich an den Wünschen des Einzelhandels ausgerichtet werden, so wichtig der für die Stadt auch ist. Vielmehr sind die Interessen aller zu berücksichtigen. Es gilt, ebenso an die Menschen zu denken, die in der Innenstadt wohnen und sich weniger Autoverkehr in ihrem Umfeld wünschen. Und in Befragungen kritisieren Touristen zu viel motorisierten Individualverkehr in der Stadt. Daher ist es vollkommen richtig, keine Autos mehr über den Deutschordensplatz und den Gänsmarkt fahren zu lassen. Einzelhandelskunden kommen im Übrigen nicht nur mit dem Auto in die Innenstadt, sondern ebenso zu Fuß, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir wollen diese Verkehrsarten fördern und auch damit den Einzelhandel unterstützen.