Haushaltsrede 2021

Bad Mergentheim mit neuem Schuldenrekord

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitarbeitende der Verwaltung,
sehr geehrte Ortsvorsteher*innen,
liebe Kolleg*innen des Gemeinderats,

kürzlich haben wir eine Redezeitbegrenzung eingeführt. Deshalb will ich mich kurz fassen. Die Haushaltslage der Stadt ist so schlecht wie noch nie. Wir müssen jetzt drei Dinge tun: sparen, sparen und nochmal sparen. Mehr finden Sie auf unserer Homepage und in den sozialen Medien. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rückblick

Im Ernst, ganz so kurz soll es nun doch nicht werden. Finanziell waren die letzten Jahre für unsere Stadt vergleichsweise gut. Wir konnten die Schulden etwas abbauen und Rücklagen bilden. Dies war allerdings weniger auf sparsames Wirtschaften zurückzuführen, als auf üppig sprudelnde Steuereinnahmen. Die Corona-Pandemie ist ein Schlag ins Kontor: Unternehmen sind in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Freizeitvergnügungen sind verboten und mit der Querdenken-Bewegung ist ein gefährliches Konglomerat aus Esoterikern, Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremisten entstanden. Bund und Land haben sich massiv neu verschuldet, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern. Bad Mergentheim hat ein eigenes Hilfsprogramm in Höhe von 500.000 € aufgelegt, obwohl es uns finanziell selbst schlecht geht. In der Krise zeigt sich nun, ob unser Gemeinwesen funktioniert. Die große Mehrheit der Menschen hält sich an die Einschränkungen. Unser Gesundheitswesen arbeitet aufopferungsvoll. Verwaltungen und Hilfsdienste sind fast ununterbrochen im Krisenmodus. Eltern müssen neben ihrer Arbeit auch noch die Kinderbetreuung und den Schulunterricht übernehmen. Durch das enorme Engagement und solidarische Verhalten der meisten Menschen sind wir bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. Dafür sind wir dankbar. Wir hoffen und wünschen uns, dass Gemeinsinn und Zusammenhalt erhalten bleiben und helfen, die Pandemie so gut wie möglich zu überstehen.

Dank der Unterstützung des Landes, das uns die Ausfälle bei der Gewerbesteuer und der Kindergartenbeiträge ersetzt hat, ist die Stadt 2020 trotz Corona finanziell mit einem blauen Auge davon gekommen. Noch, muss ich hinzufügen. Denn was in den nächsten Jahren kommt ist dramatisch.

Ausblick

Die Ursachen für unsere finanziellen Schwierigkeiten sind vielfältig. Nach wie vor belasten die Solymar-Schulden, die Zuschüsse für die Kurverwaltung und das Deutschordensmuseum den Haushalt. Hinzu kommt Verschwendung mit überdimensionierten, luxuriösen Feuerwehrgerätehäusern, Neubau der DOG-Turnhalle statt Sanierung der alten, ein dritter Brückenheiliger für Markelsheim oder eine Beregnungsanlage im Deutschorden-Stadion. Empörend finden wir, dass das Städtenetzwerk Hohenlohe Plus auch mit unserem Geld den Basketballverein Hakro Merlins in Crailsheim sponsert. Die Stadt unterhält viele nicht genutzte Immobilien wie das ehemalige Bali-Kino, das alte Feuerwehrgerätehaus in Markelsheim, den alten Kindergarten und eine halbleere Schule in Wachbach. Weil die Gebäudeunterhaltung stets unterfinanziert war, hat sich zudem ein Sanierungsstau gebildet, der dringend aufgelöst werden muss. Der Klimawandel macht die Wärmedämmung an allen städtischen Gebäuden zwingend erforderlich. Gleichzeitig subventionieren wir das Parken und leisten uns neben dem Solymar drei Freibäder. Entgegen unserer Forderung, erst einmal einen Grundsatzbeschluss über die Zukunft unserer Freibäder herbeizuführen, hat die Verwaltung eigenmächtig die Planung für ein neues Naturfreibad in Althausen beauftragt, das eine siebenstellige Summe kosten würde. Schlimmer noch, dabei hat sie den Gemeinderatsbeschluss missachtet, der die Planungskosten unter Bewirtschaftungsvorbehalt gestellt hatte.

Selbstkritisch müssen wir Gemeinderäte anmerken, dass wir unsere Verwaltung regelmäßig überfordern. Die Erfahrung zeigt, dass sie gar nicht alle Projekte abwickeln kann, die in einem Haushaltsjahr veranschlagt sind. 2020 wurde z.B. das Klimaschutzkonzept nicht in Auftrag gegeben und die Wohnungsbaugesellschaft nicht gegründet, obwohl sie im Haushaltsplan etatisiert waren. Wir Grüne fanden diese Aufgaben wesentlich wichtiger als z.B. die St. Nepomuk-Statue in Markelsheim, die gleichwohl realisiert worden ist. Für die nächsten Jahre wünschen wir uns, dass es nicht mehr dem Zufall oder den Vorlieben der Verwaltung überlassen bleibt, welche Projekte bearbeitet werden, sondern dass der Gemeinderat die Prioritäten festlegt.

Nun könnte man meinen, dass der Haushaltsplan 2021 nur wegen Corona so defizitär ist. Mit dem Impfstoff und dem Ende der Pandemie würde sich die Wirtschaft erholen und wieder Normalität einkehren. Selbst dann bleibt die Kassenlage unserer Stadt jedoch prekär. Das erfreuliche Wachstum unserer Stadt führt zu stark steigenden Ausgaben für die Kinderbetreuung. Ein Kindergartenbau nach dem anderen, Schulneubau und –sanierungen sind in den nächsten Jahren zu schultern. Und mit dem Bau allein ist es nicht getan. In den letzten fünf Jahren sind die Betriebskosten für die Kinderbetreuung von 5,9 Mio. € im Jahr 2017 auf 9,1 Mio. € im Jahr 2021 angestiegen. Das Haushaltsvolumen hat sich in dieser kurzen Zeit von 55,5 Mio. € auf 69,2 Mio. €, d.h. um 24% erhöht. Wir geben im kommenden Jahr 6,65 Mio. € mehr aus als wir einnehmen. Im Kernhaushalt ist eine Kreditermächtigung von 8,6 Mio. € nötig. Hinzu kommen 8,7 Mio. € im Eigenbetrieb Abwasser. Die Gesamtverschuldung unserer Stadt steigt von 61,2 Mio. € in 2020 auf den Rekordwert von 89,9 Mio. € in 2021, das sind 3.745 € pro Kopf. Wegen der anstehenden Baumaßnahmen setzt sich diese fatale Entwicklung in den nächsten Jahren sogar noch fort. Die mittelfristige Finanzplanung sieht von 2022 bis 2024 jeweils rund 10 Mio. € Kreditermächtigungen vor. Völlig unverständlich ist für uns, wie manche hier in diesem Gremium in Kenntnis dieser Zahlen auch noch Pläne für den Neubau eines Freibads oder für neue Parkhäuser schmieden können.

Im Grunde können wir sogar froh darüber sein, dass wir den Zuschlag für die Landesgartenschau 2026 nicht bekommen haben. Die Investition von 34 Mio. € hätten wir – trotz 5 Millionen vom Land – bis dahin niemals stemmen können. Ellwangen, das an unserer Stelle die Gartenschau 2026 bekam, hadert inzwischen damit und versucht, das Konzept einzudampfen. Bis zur Landesgartenschau 2034, von der wir uns einen Impuls für ein zukunftsfähiges und lebenswertes Bad Mergentheim versprechen, haben wir nun mehr Zeit, den aus den Fugen geratenen Haushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen und die nötigen Investitionen auf viele Jahre zu verteilen.

Kinderbetreuung ist keine freiwillige Leistung, sondern Pflichtaufgabe. Jedes Kind hat den gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Dort können und wollen wir nicht sparen. Unsere Kinder sollen einen guten Start ins Leben haben. Um den zu erfüllen muss an anderer Stelle konsequenter gespart werden als bisher. Das strukturelle Defizit im Haushalt muss abgebaut werden. Wir haben einmal mehr eine Haushaltskonsolidierungskommission vorgeschlagen, die dem Gemeinderat den Weg zu solideren Finanzen aufzeigen soll. Wir brauchen eine Aufgabenkritik ohne Tabus und effizientere Verwaltungsstrukturen. Gleichzeitig müssen alle vorhandenen Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft werden. Dazu zählen wir etwa Benutzungsgebühren für Sporthallen und Sportplätze sowie Gebührenerhöhungen.

Mit unseren Haushaltsanträgen haben wir zwei Ziele verfolgt: Wir wollten erstens die Neuverschuldung reduzieren und zweitens den Klimaschutz voranbringen. Wir sind dankbar dafür, dass wir für einige unserer Anträge Unterstützung im Verwaltungsausschuss bekommen haben. Mit einem Jobticket für die Mitarbeitenden in der Verwaltung, mit der Umstellung auf klimaneutral erzeugten Heimatstrom und die beginnende Umstellung des städtischen Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge ist ein Anfang gemacht. Ein städtischer Klimawärmeplan und ein Klimamobilitätsplan sind weitere Schritte in die richtige Richtung. Beim Wohnungsbau hat für uns die Innenentwicklung Vorrang vor der Erschließung neuer Baugebiete auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Wir wollen eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, wie sie in Wertheim und Crailsheim existiert, um bezahlbares Wohnen in Bad Mergentheim möglich zu machen.

Fazit

In manchen Punkten hätten wir uns zwar einen konsequenteren Sparkurs und andere Prioritäten gewünscht. Zusammenfassend kann ich aber feststellen, dass der Gemeinderat in der Krise zusammengerückt ist. Die Haushaltsberatungen verliefen – trotz manch unterschiedlicher Auffassungen – stets zielorientiert, im gemeinsam getragenen Bestreben um die Ausgabenreduzierung und in einer guten Atmosphäre. Wir danken den Ortschaftsräten, die bereit waren, angesichts der Finanznöte manchen Wunsch zurückzustellen, dem OB, dem Kämmerer und den Mitarbeitenden in der Verwaltung für die viele Arbeit mit dem Haushaltsplan und den Kolleg*innen des Gemeinderats für ihre Zustimmung zu einigen unserer Anträge. Dem Haushaltsplan, dem Stellenplan und den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe können wir diesmal zustimmen.

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