Vieles geht nur langsam voran
Die Haushaltsrede 2023 der Grünen im Stadtrat
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitarbeitende der Kämmerei,
liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
was für ein Jahr liegt hinter uns! Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden. Der Dürresommer sollte auch dem Letzten verdeutlicht haben, welch katastrophale Folgen der Klimawandel hat. Seit dem 24. Februar tobt ein brutaler Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Und jetzt kamen auch noch der Brand in der Tiefgarage Altstadt-Schloss und die Absage der JUFA hinzu. Dies alles stellt uns international, national und kommunal vor gewaltige Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben. Bevor ich darauf eingehe möchte ich kurz zurückschauen.
Rückblick
Wir können feststellen, dass das Jahr 2022, trotz Corona, wie schon die Jahre zuvor, besser abschließen wird als gedacht. Der Saldo wird mit circa -2,2 Mio. € nicht ganz so schlecht ausfallen wie gedacht. Ungeteilt freuen können wir uns darüber aber nicht. Denn das gute Ergebnis kommt unter anderem nur dadurch zustande, dass – einmal mehr – wichtige Projekte nicht umgesetzt worden sind. Die Prozesse bei der Stadtverwaltung dauern in vielen Fällen extrem lang. Die Digitalisierung kommt nur schleppend voran. Trotz Beschäftigung eines Digitalisierungsbeauftragten warten wir seit Jahren auf die Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems und die Umsetzung des Online-Zugangs-Gesetzes. Unsere Verwaltung hat, auch durch eine Blockadepolitik des Gemeinderats, 10 Jahre dafür gebraucht, eine Konzentrationszone für Windkraftanlagen auszuweisen. Der barrierefreie Umbau der Bushaltestellen, der laut § 8 Abs. 3 Personenbeförderungsgesetz bis 1.1.2022 abgeschlossen sein müsste, wurde noch nicht einmal begonnen, obwohl die Maßnahmen bereits in mehreren Haushaltsplänen veranschlagt waren. Für die Sanierung des Verwaltungsgebäudes Unterer Graben 1 waren für 2022 bereits 400.000 € vorgesehen, der Planungsauftrag dafür ist aber erst im November vergeben worden. Wir warten immer noch auf den Neubau des Johannesstegs über die Tauber. Nur die Bäume wurden bereits gefällt. Für das Burgerhaus am Marktplatz gibt es weiterhin kein Konzept. Es trägt nicht gerade zur Attraktivität unserer Innenstadt bei. Eine Sanierung des historisch bedeutsamen Dominikanerklosters mit seinem Kreuzgang und den wertvollen Fresken ist noch nicht einmal geplant. Und seit fünf Jahren schiebt die Verwaltung – mit freundlicher Unterstützung aus dem Gemeinderat – die Neugestaltung des Gänsmarkts vor sich her. So ehrenwert es ist Kompromisse zwischen widerstreitenden Interessen zu finden, man wird es nicht allen recht machen können. Stillstand statt Fortschritt heißt es auch bei der Verkehrsentwicklungsplanung. Weil wir noch immer auf das vor über einem Jahr in Auftrag gegebene Verkehrsmodell warten, werden nötige Entscheidungen aufgeschoben. Wegen der Klimakrise fatal ist, dass die Stadt noch immer kein Klimaschutzkonzept mit messbaren, quantifizierten Zielen hat.
Die große Bugwelle unerledigter Arbeiten macht uns große Sorgen. Es stellt sich die Frage, ob sich unsere Stadt mit der Landesgartenschau 2034 und dem Stadtsanierungsprogramm vielleicht übernommen hat? Wenn schon das Alltagsgeschäft nicht bewältigt wird, wird unsere Verwaltung dann in der Lage sein, all die vielen Großprojekte zu stemmen, die dafür vorgesehen sind? Gemeinderat und Stadtverwaltung sollten umgehend eine Task Force einrichten mit dem Ziel, Arbeitsabläufe zu optimieren, die Effektivität der Verwaltung zu erhöhen und wünschenswerte aber nicht zwingend notwendige Projekte aufzugeben, um die wirklich wichtigen termingerecht fertigzustellen.
Selbstverständlich ist nicht alles schlecht. Vieles funktioniert auch gut. Dafür sind wir dankbar. Das fällt nur weniger auf als das, was nicht funktioniert. Positiv hervorheben möchte ich den Ausbau der Kindergärten und Schulen. Mit der neuen Grundschule im Auenland entsteht ein wahres Vorzeigeprojekt, ein weitgehend mit Holz aus dem eigenen Wald erstelltes, energieeffizientes Gebäude. Schule und Kindergarten in Edelfingen konnten kürzlich bezogen werden. Die Sanierung weiterer Schulen ist geplant. Die stark steigenden Investitionen und Ausgaben für die Kinderbetreuung von der Kita bis zur Ganztagsschule sind zwar ein wesentlicher Grund für das enorm gestiegene Haushaltsvolumen. Die sind aber unausweichlich und werden von uns mitgetragen. Zum Glück hat das Land beschlossen, sich an Schulsanierungen finanziell stärker zu beteiligen als bisher.
In Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind über 400 Kriegsflüchtlinge in Bad Mergentheim aufgenommen worden. Die Hilfsbereitschaft in unserer Bürgerschaft war überwältigend. Es gab eine riesige Spendenbereitschaft. Viele Eigentümer haben Wohnungen angeboten. So viel Gemeinsam ist ermutigend. Die Bürgerinnen und Bürger haben erkannt, dass die Ukrainer die Werte unserer freiheitlichen Demokratie gegen einen imperialistischen Terrorstaat verteidigen und unsere Unterstützung verdienen. Dafür sagen wir vielen herzlichen Dank. Der anhaltende Krieg wird voraussichtlich aber dazu führen, dass noch mehr Menschen aus der Ukraine fliehen müssen, die nicht nur eine Wohnung, sondern auch Kindergartenplätze und Schulen benötigen. Unsere Aufnahmekapazität ist allerdings inzwischen erschöpft. Hinzu kommt, dass uns der Landkreis die Flüchtlinge, die hier privat untergekommen sind, nicht auf die Quote anrechnet, die er uns zuteilt. Dabei bekommt der Landkreis diese Menschen auf seine Zuteilungsquote angerechnet. Trotz aller Einwände gegen diese ungerechte Verteilung auf die Kommunen im Landkreis hält Landrat Schauder dennoch daran fest. Um allen ein Dach über dem Kopf geben zu können, die uns zugewiesen werden oder die zu uns flüchten, brauchen wir jetzt dringend weitere Unterkünfte. Da bietet es sich an, das von der JUFA nicht mehr beanspruchte APH zeitnah als Unterkunft für Geflüchtete einzurichten.
Unsere Reaktion auf den Ukraine-Krieg muss es jetzt sein, die Blockadepolitik der Stadt beim Ausbau erneuerbarer Energien aufzugeben und ihn schnell voranzubringen. Die von uns initiierte Änderung der Kriterien für die Freiflächen-PV-Anlagen ist ein richtiger Schritt in diese Richtung. Wir danken allen Kolleginnen und Kollegen, die für unseren Antrag gestimmt haben. Hätte es der Gemeinderat dem Stadtwerk Tauberfranken bereits vor Jahren ermöglicht, nicht nur in Külsheim, sondern auch in Bad Mergentheim Windräder aufzustellen, würde die Stadt heute von den aktuell sehr hohen Gewinnen aus diesen Anlagen profitieren. Diese Verhinderungspolitik des Gemeinderats hat der Stadt leider massiv geschadet. Genauso notwendig sind jetzt Energiesparmaßnahmen, wie sie andere Städte längst vornehmen. Die Stadt Heilbronn will z.B. 20% ihres Gasverbrauchs einsparen. Das würden wir uns auch von unserer Stadtverwaltung wünschen. Aber selbst das bescheidenere Ziel von 15% Einsparung hat sie zusammen mit der Mehrheit des Gemeinderats abgelehnt. Das böse Erwachen wird mit der nächsten Strom- und Gasrechnung kommen. Hoffnungen setzen wir nun in die geplante Beschäftigung einer Klimaschutzmanagerin oder eines Klimaschutzmanagers. Die Umsetzung eines Klimaschutzkonzepts mit messbaren Zielen wird uns helfen, CO2 und Geld einzusparen.
Haushalt 2023
Wegen des Kriegs in der Ukraine kam es zu drastischen Preissteigerungen und einer Inflationsrate wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das spüren wir schmerzlich im städtischen Haushalt. Unter anderem mussten die Planansätze für Strom und Heizung verdoppelt werden. Dies würde uns weniger hart treffen, wenn man in der Vergangenheit mehr auf uns gehört und in Energiesparmaßnahmen investiert hätte. Die müssen nun schleunigst nachgeholt werden. Der Haushaltsplan stellt nun wenigstens 200.000 € für die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik bereit. Das ist jedoch nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Nach wie vor geben wir viel zu wenig Geld für die Erhaltung unserer Immobilien aus. Während das Haushaltsvolumen in den letzten 5 Jahren um 39 % gestiegen ist, stagnierte der Gebäudeunterhalt bei rund 1 Mio. € pro Jahr. Inflationsbereinigt geben wir also immer weniger dafür aus. Wir leben von der Substanz und hinterlassen unseren Nachfolgern einen gewaltigen Sanierungsstau. Aktuell fehlt der Stadt zwar das Geld für energetische Sanierungen ihrer Gebäude. Wir halten diese Maßnahmen jedoch selbst dann für richtig, wenn man sie mit Krediten finanziert. Denn durch die hohen Energiepreise amortisieren sie sich mindestens doppelt so schnell wie bisher. Belastend für unseren Haushalt sind die hohen Kosten für die Sanierung der Wandelhalle, an denen sich die Stadt mit insgesamt mindestens 4 Mio. Euro beteiligen muss, davon 1 Mio. in 2023. Zwar wird dadurch die Nutzbarkeit erhöht und der Energiebedarf verringert, jedoch deutlich weniger als mit einem Neubau. Stünde die Wandelhalle nicht unter Denkmalschutz wäre ein Ersatzneubau die bessere Lösung.
Nicht einverstanden sind wir Grüne mit den vielen Bebauungsplanverfahren für Neubaugebiete nach § 13b BauGB. Damit unterlaufen wir die Bestrebungen des Landes Baden-Württemberg, beim Flächenverbrauch bis 2035 auf eine Netto-Null zu kommen. Neubaugebiete machen auch schon deshalb immer weniger Sinn, weil sich Normalverdiener ein Einfamilienhaus im Grünen gar nicht mehr leisten können. Was dagegen gebraucht wird ist bezahlbarer Wohnraum. Den sollten wir dort schaffen, wo keine Erschließungsmaßnahmen mehr erforderlich sind. Baulücken schließen, Gebäude aufstocken oder umnutzen und Grundstücke nachverdichten sind Maßnahmen, die in Frage kommen. Mit dem ehemaligen Sägewerksareal besitzt die Stadt ein zentrumsnahes Grundstück, auf dem sich ein ökologisch optimiertes, familienfreundliches, autofreies Urbanes Gebiet entwickeln ließe. Die Innenentwicklung wird bei uns in Bad Mergentheim aber leider viel zu wenig genutzt. Wir verstehen nicht, dass Flächenverbrauch und Ackerkennzahlen bei Freiflächen-PV-Anlagen Ausschlusskriterien sein sollen, bei Neubaugebieten aber nicht. Leider sind wir im Ausschuss mit unserem Antrag gescheitert, eine Stadtentwicklungsgesellschaft zu gründen, um die Innenentwicklung voranzutreiben und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Immerhin hat uns die Verwaltung aber versprochen, uns Vorschläge zu unterbreiten. Wir sind gespannt darauf.
Beim vom Land finanzierten Fußverkehrs-Check wurden wichtige Ideen entwickelt, wie das Zu-Fuß-Gehen bei uns bequemer, sicherer und attraktiver gemacht werden kann. Wir bedanken uns beim Gemeinderat, dass er unserem Antrag gefolgt ist, für die Umsetzung dieser Maßnahmen 50.000 € in den Haushaltsplan einzustellen. Gut finden wir auch, dass die Verwaltung in Verhandlungen mit den beiden großen Kirchen Vorschläge für ein reales Familienzentrum ausarbeiten will. Unterstützung fand unsere Initiative auf Einführung eines Familienpasses, um sozial benachteiligte Kinder und Familien zu fördern.
Stellenplan
Trotz der weiter steigenden Personalausgaben tragen wir einige Stellenvermehrungen in der Stadtverwaltung mit. Zwei zusätzliche Mitarbeitende im Gemeindevollzugsdienst können bewirken, dass wieder mehr Ordnung und Sauberkeit in unserer Stadt herrscht. Ihre Lohnkosten erwirtschaften sie selbst. Die durch die Wohngeldreform zusätzlich anfallende Arbeit wird durch eine auf 2 Jahre befristete Stelle geleistet werden. Mit sehr knapper Mehrheit ist auf unseren Antrag auch eine halbe Stelle für eine:n Integrationsbeauftragte:n in den Stellenplan aufgenommen worden. Besonders wichtig finden wir die Stelle für Organisationsentwicklung. Von der oder dem Stelleninhaber:in erhoffen wir uns die Optimierung von Arbeitsprozessen in der Verwaltung und das Heben von Effizienzreserven. Längst überfällig ist die Stelle für Klimaschutzmanagement. Gut, dass sie nun kommt. Es wird die Aufgabe sein, ein Klimaschutzkonzept mit quantifizierten, messbaren Zielen zu erstellen und umzusetzen. Gut so.
Fazit
Mit einem Volumen von 80,1 Mio. €, Investitionen von 17,5 Mio. € – davon allein 12 Mio. € für Bildung und Betreuung – und einem negativen ordentlichen Ergebnis in Höhe von -7,2 Mio. € stellt der Haushalt 2023 einen neuen Rekord auf, leider auch im negativen Sinn. Die Abschreibungen von 4,6 Mio. € werden nicht erwirtschaftet und es müssen Kredite in Höhe von ca. 7 Mio. € aufgenommen werden, obwohl wir den Gebäudeunterhalt so sträflich vernachlässigen. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung lag Bad Mergentheim Ende letzten Jahres unter allen 1.101 Gemeinden in Baden-Württemberg auf Platz 70, d.h. unter den 10 Prozent der am höchsten verschuldeten Kommunen. Nachdem wir in den letzten Jahren Schulden abbauen konnten, erhöht sich die Verschuldung leider wieder drastisch. Die inzwischen gestiegenen Kreditzinsen belasten künftige Haushalte und schränken deren Spielraum ein. Zum Glück konnte sich unsere Kämmerei während der Niedrigzinsphase langfristige Kredite zu sehr günstigen Konditionen sichern.
In den folgenden Jahren wird die Lage keineswegs besser. Ein wesentlicher Grund dafür sind der Bau der neuen Grundschule, die Schulsanierungen und die Kinderbetreuung. Diese Pflichtaufgaben sind allerdings unvermeidbar. Anders sieht dies beim geplanten Neubau des Freibads in Althausen oder der Erweiterung des Baseball-Platzes aus. Wir sind der Auffassung, dass sich die Stadt solche wünschenswerten Dinge aktuell nicht leisten kann und auch nicht leisten sollte. Im vollen Bewusstsein der schwierigen finanziellen Lage fällt es schwer zu verstehen, dass der Gemeinderat nicht alle Möglichkeiten wie die Anpassung von Gebühren nutzt, um die Einnahmen der Stadt zu verbessern.
Am Ende können wir nur wieder hoffen, dass uns das Jahr 2023 auch mit positiven Überraschungen aufwartet und der Jahresabschluss nicht ganz so negativ ausfallen wird wie jetzt befürchtet. Die Inflation könnte uns höhere Steuereinnahmen bescheren und uns den Kapitaldienst erleichtern.
Der Kämmerei mit Stadtkämmerer Artur Wirtz und seinem Team ist es wieder gut gelungen, dem Gemeinderat in den Haushaltsberatungen die Lage transparent zu machen. Vielen Dank für diese gute Arbeit. Trotz einiger Kritik stimmen wir dem Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Abwasser, dem Stellenplan und der mittelfristigen Finanzplanung zu.