Dekarbonisierung als Gesellschaftsaufgabe: Die Rolle von Politik und Wirtschaft

Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Franziska Brantner auf Sommertour in Bad Mergentheim

Dr. Franziska Brantner bei ihrer Veranstaltung im Mittelstandszentrum Tauberfranken
Spricht über die Digitalisierung als Gesellschaftsaufgabe - die Rolle von Politik und Wirtschaft: MdB Dr. Franziska Brantner

Kreisrat und Kreisvorstand Rainer Moritz konnte am Freitagabend im Mittelstandszentrum zahlreiche Gäste zu einer Veranstaltung der Grünen Main-Tauber mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium Dr. Franziska Brantner begrüßen. Die Bundestagsabgeordnete aus Heidelberg kam auf ihrer Sommertour mit dem Elektroauto eines Carsharing-Anbieters durch „The Länd“ unter anderem nach Bad Mergentheim, um mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen.

Lediglich mit einem kleinen Notizheft trat sie ans Rednerpult, um frei über die aktuell wichtigste Aufgabe zu sprechen, die ökologische Transformation unserer Wirtschaft. Stets freundlich, ruhig und sachlich argumentierend erwies sich die promovierte Sozialwissenschaftlerin auch in Technikfragen versiert.

Während sich die vorige Generation nach dem zweiten Weltkrieg um den Wiederaufbau und den Wohlstand in unserem Land verdient gemacht habe gehe es nun darum, klimaneutral zu werden, so Brantner, und diese Aufgabe nicht auf die nächste Generation abzuwälzen. Als Grund dafür führte sie unter anderem die verheerenden Waldbrände in Kanada an, wo über 100.000 Quadratkilometer Wald verbrannt sind, „was einem Drittel der Fläche unseres Landes entspricht“.

Durch den furchtbaren Krieg in der Ukraine sei die Weltlage gerade nicht einfach. Bei der Regierungsübernahme habe die Ampel bei Gas und Öl eine große Abhängigkeit von Russland vorgefunden. Gasspeicher, Pipelines und Raffinerien gehörten Gazprom. Die Speicher waren leer, „das war sicher kein Zufall“. Daher sei die Sorge groß gewesen, „ob es genügend Gas und Öl gibt, um durch den nächsten Winter zu kommen“. Das sei durch den Einsatz vieler Menschen gut gelungen. Die Unternehmen sparten zum Beispiel 10 Prozent an Energie ein. Durch den Bau von LNG-Terminals bekam Deutschland Erdgas aus Norwegen, den USA und dem Nahen Osten. „Auch Südkorea und Japan haben uns mit ihren Reserven geholfen“, stellte sie dankbar fest.

Erneuerbare Energien vorangebracht

Viel erreicht habe die Bundesregierung inzwischen beim Ausbau der erneuerbaren Energien. „Bei Photovoltaikanlagen auf Dächern haben wir viel Bürokratie weggehauen“, berichtete die Staatsekretärin. Es sei nun nicht mehr nötig, eine eigene Firma dafür zu gründen und eine Steuererklärung zu machen. Der auf kommunalen Dächern erzeugte Strom müsse nicht mehr zwingend im selben Gebäude verbraucht werden. Durch eine Veränderung der Ausschreibungsbedingungen habe sich die Rentabilität von Windkraftanlagen an Land verbessert, was zu einem stärkeren Ausbau führe.

Franziska Brantner stellte die Bedeutung von grünem Wasserstoff für die Energiewende heraus. Er sei nötig für Industrieanwendungen, die man nicht elektrifizieren kann, für den Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr sowie als Speicher für Strom. Zwar könne in Deutschland bei weitem nicht so viel grüner Wasserstoff produziert werden wie gebraucht wird. „Aber unsere Nachbarländer können viel mehr erneuerbaren Strom produzieren als sie selbst brauchen“. Die baltischen Staaten und Dänemark hätten zum Beispiel enorme Potentiale an Off-Shore-Windenergie. Mit bestehenden Pipelines könne Wasserstoff aus Algerien oder Portugal nach Deutschland transportiert werden. Gut daran sei, dass diese Länder alle mit uns befreundet sind.

Kreislaufwirtschaft vorantreiben

Groß sei die Abhängigkeit von China bei Rohstoffen, zum Beispiel bei dem für die Batterieproduktion benötigten Lithium. Brantner plädiert deshalb für eine Kreislaufwirtschaft. „Aktuell wird leider weniger als ein Prozent der Rohstoffe zurückgewonnen“, bedauert sie. Viele Technologien für die Wiedergewinnung gebe es noch nicht. Sie zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass diese gerade auch in Baden-Württemberg entwickelt werden. Projekte dafür fördere das Bundeswirtschaftsministerium. In Tübingen habe sie zum Beispiel ein Start-up-Unternehmen besucht, das mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz das Baustoff-Recycling optimiere. Die Aufgabe der Politik sieht die Grüne darin den Rahmen festzulegen und mit einer Designrichtlinie die Hersteller dazu zu verpflichten, ihre Produkte so zu konstruieren, dass die enthaltenen Rohstoffe zurückgewonnen werden können.

Bei ihrer seit zweieinhalb Wochen laufenden Tour habe sie viele tolle Menschen getroffen, die sich der Aufgabe stellen und neue Technologien entwickeln. Nutzen lasse sich zum Beispiel die große Erfahrung der Öl- und Gasindustrie beim Bau und Betrieb von Bohrtürmen auf hoher See. Mit Hilfe dieser Expertise können Off-shore-Windparks mit Meerwasserentsalzungsanlagen, Elektrolyseuren und Pipelines für die Wasserstoffproduktion gebaut werden. „Ich bin stolz, ein Teil dieses Transformationsprozesses zu sein“, bekannte Brantner.

Chancen der KI nutzen

Die Künstliche Intelligenz sei eine Riesenchance, berge aber auch ein paar Risiken. Auf EU-Ebene verhandle sie gerade eine KI-Verordnung, in der unter anderem das in China praktizierte social scoring verboten werde. Mit Aleph Alpha sitze der relevanteste europäische Player für KI in Baden-Württemberg. Für das Land Baden-Württemberg habe dieses Start-up-Unternehmen eine Software entwickelt, mit der zeitsparend Regierungsvorlagen erstellt werden können. Die KI spiele eine Rolle im Rechtsbereich, in der Radiologie oder medizinischen Diagnostik.

Deutlich besser werden müsse Deutschland bei der Digitalisierung und beim Bürokratieabbau. Ihr Ministerium sei gerade dabei zu prüfen, welche der über 500 gesetzlich vorgeschriebenen Berichtspflichten von Unternehmen verzichtbar sind. Bei der Kindergrundsicherung will die Ampel-Regierung die verschiedenen Sozialleistungen zu einer einzigen zusammenführen und das Antragsverfahren digitalisieren.

Arbeitskräftemangel verringern

„Den Ukraine-Krieg hat man nicht vorhersehen können“, so Brantner, „die Alterung unserer Gesellschaft aber schon“. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz will die Bundesregierung nun dazu beitragen, dass der Fach- und Arbeitskräftemangel reduziert wird. Als Problem sehe sie, dass in Deutschland zwei Millionen Jugendliche keinen Schulabschluss haben. Mit einer Ausbildungsgarantie sollen diese eine zweite und dritte Chance bekommen, um ihnen eine Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen und ihr Potential für die Wirtschaft zu nutzen.

„Veränderungen schaffen wir nicht von heut auf morgen“, so Franziska Brantner abschließend, „aber wenn wir sie nicht angehen, wird’s auch nicht besser“.

Rainer Moritz übergibt ein Geschenk an Dr. Franziska Brantner
Kreisvorstand und Kreisrat Rainer Moritz bedankt sich bei Dr. Franziska Brantner mit ein paar lokalen Köstlichkeiten

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