Jugendhilfe unter Corona

Videokonferenz von MdB Schneidewind-Hartnagel mit der Jugendhilfe Creglingen

Videokonferenz mit MdB Charlotte Schneidewind-Hartnagel und der Jugendhilfe Creglingen
MdB Charlotte Schneidewind-Hartnagel in der Videokonferenz

Welche Schwierigkeiten und Probleme hat die Jugendhilfe in Zeiten von Corona? Dies wollte die Sozial- und Familienpolitikerin vom Geschäftsführer Werner Fritz und der Diplom-Psychologin Gabriele Bachem-Böse von der Jugendhilfe Creglingen wissen. Die in Creglingen beheimatete Einrichtung ist sowohl im Main-Tauber-Kreis, als auch im Landkreis Ansbach und in Würzburg tätig. Sie hat derzeit 9 Wohngruppen, in denen sie ca. 80 Kinder- und Jugendliche durchschnittlich zwei Jahre lang rund um die Uhr pädagogisch unterstützt und betreut. Hinzu kämen ambulante Angebote für etwa 250 Familien, die zu Hause aufgesucht werden, um „Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten“, so Werner Fritz. Weitere Leistungen seien eine Intensivgruppe für Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen und gerade im Aufbau eine Stabilisierungsgruppe auf einem Bauernhof bei Tauberbischofsheim. Die Jugendhilfe Creglingen leiste darüber hinaus Schulsozialarbeit und Ganztagsbetreuung in Schulen.

Schulschließung entlastet Familien

Die Betreuung von sogenannten UMAs, unbegleiteten minderjährigen Ausländern, laufe aus. Die Jugendhilfe stehe jedoch bereit, dieses Angebot wieder aufleben zu lassen „falls sich die Bundesregierung dazu entschließt, wieder unbegleitete Jugendliche aufzunehmen“. Die Jugendhilfe sei gewohnt, sehr flexibel auf aktuelle Veränderungen zu reagieren. Die Corona-Pandemie habe positive und negative Seiten, berichtete Gabriele Bachem-Böse. „Einerseits konnte ich beobachten, dass durch die Bedrohung von außen ein neuer Zusammenhalt in den Gruppen entstanden ist“, fand sie. Durch den Ausfall der Schule habe sich auch eine Stressquelle in den Familien verringert und sie entlastet. Gleichzeitig würden Kinder aus Jugendhilfe-Familien durch den Fernunterricht jedoch noch stärker benachteiligt als zuvor. Viele hätten zum Beispiel keinen Drucker und nur ein Notebook für die ganze Familie. Die Schulen kämen unterschiedlich gut mit der Lage zurecht, dadurch sei die Beschulung der Kinder in den Familien individuell sehr verschieden.

Verbesserungsbedarf beim Fernunterricht

Die Psychologin kritisierte auch eine unzureichende Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit den digitalen Medien. Hier gebe es eine sehr große Streuung. Um die Versäumnisse während der Corona-Epidemie aufzuholen schlägt Charlotte Schneidewind-Hartnagel „Sommerschulen oder Sommercamps“ auf kommunaler Ebene in den Schulferien vor. Dies solle aber keineswegs eine Nachbeschulung sein, sondern ein kreatives Freizeitangebot mit Fördergruppen. Gabriele Bachem-Böse hält dies auch deswegen für zwingend nötig, weil viele Eltern bereits ihren Jahresurlaub verbraucht hätten, um ihre Kinder zu betreuen und nicht wüssten, wie sie das auch noch die ganzen Sommerferien über leisten sollen.

Entgegen seinen Erwartungen, so Werner Fritz, sei es während des Lockdowns nicht zu mehr In-obhut-nahmen von Kindern und Jugendlichen gekommen. Er wisse aber nicht, ob dies nur darauf zurückzuführen sei, dass auch die Jugendämter nicht mehr in die Familien gehen konnten und Kitas und Schulen geschlossen waren, die solche Fälle melden. Inzwischen würden mehr und mehr Anfragen für Kinderschutzfälle gestellt. Es könnte sich möglicherweise um einen Nachholeffekt beim Thema Kinderschutz handeln. Diese Beobachtungen wurden von Charlotte Schneidewind-Hartnagel bestätigt. Sie will sich bei der Landespolitik dafür stark machen, dass die Jugendhilfekinder bei der Notbetreuung priorisiert werden. „Kein Kind kann sich allein beschützen und es ist unsere Verantwortung, das Recht auf Kinderschutz für sie umzusetzen.“ Sie wünsche sich nicht nur einen Autogipfel, sondern auch einen Kindergipfel.

Existenzsorgen in den Sommerferien

Gabriele Bachem-Böse machte auf eine finanzielle Versorgungslücke für Jugendliche aufmerksam. Das Bafög ende nach einem Ausbildungsabschnitt stets am Beginn der Sommerferien, während es für den nächsten Abschnitt erst nach den Sommerferien wieder gezahlt werde. In den Sommerferien bestehen für die Jugendlichen, die sich eigentlich über das erfolgreiche Ende eines Ausbildungsabschnitts freuen sollten, massive Existenzsorgen. Dies sei in der grünen Bundestagsfraktion bereits Thema gewesen, versicherte die Abgeordnete.

Nach der Corona-Epidemie dürfe man nicht zum vorherigen Zustand zurückkehren, findet Schneidewind-Hartnagel, sondern müsse wichtige Veränderungen fortführen. Sie zeigte Interesse, auch mit einer Wohngruppe von Jugendlichen direkt in Kontakt zu kommen und kündigte eine weitere Video-Konferenz an. Sie bedankte sich bei allen Beteiligten für die aufschlussreichen Informationen.

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