Wald in Not
Förster zeigt erschreckenden Waldzustand
Es ist ein drückend heißer Abend, als Revierförster René Frank Mitglieder der Grünen Bad Mergentheim zu einer Führung in seinem Wald im Gewann Apfelhof empfing. Die schwüle Hitze passte perfekt zum Thema. Der grüne Ortsverband hatte darum gebeten, aus erster Hand über die Lage des Waldes im Klimawandel informiert zu werden.
Gleich zu Beginn stellte er Schäden fest, „die ich vor 5 Jahren noch nicht für möglich gehalten habe“, so Frank. Sie seien sogar noch schlimmer, als letztes Jahr gedacht. Im Mai und Juni wurde eine große Eichenwaldfläche vom Schwammspinner total abgefressen. Die Bäume hätten darauf mit einem Notaustrieb reagiert, dem sogenannten Johannistrieb. Wenn diese Triebe jedoch erneut von Schädlingen abgefressen würden, dann sei der gesamte Bestand kaputt, befürchtet der Förster. In Zusammenarbeit mit der Zertifizierungsorganisation FSC sei entschieden worden, den Schwammspinner auf 15 Hektar Eichenwald aus dem Hubschrauber mit Bazillus Thuringiensis zu bekämpfen. Dieses Mittel töte zwar nicht alle Insekten, leider aber alle Schmetterlinge, nicht nur den Schwammspinner.
Fichten werden verschwinden
Die Fichtenbestände seien sehr stark vom Borkenkäfer befallen und nicht mehr zu halten. Er habe seit Anfang des Jahres in seinem ForstBW-Revier bereits 10.000 Festmeter Dürre- und Käferholz verschiedener Baumarten schlagen müssen, „eine Menge, die dem Holzeinschlag des gesamten Stadtwaldes Bad Mergentheim mit 2.000 Hektar im Jahr entspricht“. Wie dramatisch die Veränderung der Lage in kurzer Zeit ist, machte der Förster daran deutlich, dass man noch vor 5 Jahren bei der 10-Jahres-Planung des Waldes großflächig Nadelholzpflanzungen vorgesehen habe, die man mittlerweile sehr kritisch überdenken müsse.
Die Ursache für diese fatale Entwicklung sieht René Frank in der Klimaerwärmung. Die Forstliche Versuchsanstalt mit Sitz in Freiburg im Breisgau habe ihre bisherigen Prognosen stets nach oben korrigieren müssen. Inzwischen rechne sie im Jahr 2070 mit einem Temperaturanstieg um 8,5°C. Sommer, wir wie sie in den Jahren 2018 und 2019 erlebten, würden zur Regel statt zur Ausnahme. Anhand von Messwerten konnte der Waldexperte aufzeigen, dass es im Raum Bad Mergentheim besonders viele heiße Tage und mit 550 bis 600 Millimeter nur wenig Niederschlag gibt.
Das Ökosystem Wald „ist ein komplexes System, das gegenwärtig kippt“, stellte Frank besorgt fest. Es sei dem Wald nicht mehr möglich, die Veränderungen zu kompensieren, so dass viele Bäume plötzlich absterben.
Rehe konsequent jagen
Die Douglasie werde in dieser Lage als Hoffnungsträger angesehen, sei aber nicht sturmfest und müsse früher geerntet werden als bisher. Die Esche vertrage Trockenheit und sei sturmfest, werde aber von einem Pilz zerstört. Es bestehe eine gewisse Hoffnung, pilzresistente Eschen züchten zu können. Baumarten aus dem Mittelmeerraum seien zwar hitzebeständig, aber frostempfindlich. Trotz Klimawandel werde es bei uns auch in Zukunft Fröste geben. Eine Chance sieht Frank, neben anderen Baumarten, in der Atlaszeder, von der er ein Exemplar zeigen konnte. Die Eiche vertrage Hitze, werde aber in der Jugendphase von den Rehen abgefressen und könne sich deshalb nicht entwickeln. Deshalb sei „eine intensive Jagd so dingend wie nie zuvor“, meint René Frank. Der berühmte Bestand an großen alten Eichen im Bad Mergentheimer Stadtwald aus dem 19. Jahrhundert – auf den man zurecht stolz ist – sei auf die Revolution von 1848 zurückzuführen. Nach dieser durften alle Bauern jagen, was zu einer drastischen Verminderung des Rehbestandes führte, die den Eichen eine Überlebenschance gab. In Zeiten, in denen in ganz Deutschland durch Borkenkäfer und Trockenschäden riesige Kahlflächen entstehen, sei der Bedarf an Forstpflanzen zur Wiederaufforstung sehr hoch, die Verfügbarkeit jedoch gering. Pflanzen in guter Qualität seien knapp und teuer. Umso mehr müsse man auf natürliche Ansamung heimischer Laubbäume setzen, die letztendlich kostenlos, bei den jetzigen Wilddichten aber sehr gefährdet seien, durch Rehe abgefressen zu werden. Wenn man heute wenigstens fünf Jahre lang konsequent Rehe jage und den Bestand dezimiere, könnte der Eichennachwuchs eine Höhe erreichen, in der er nicht mehr gefährdet sei.
Holz als Kohlendioxidspeicher nutzen
Frank sprach sich trotz der Waldschäden dafür aus, Holz zu nutzen. Es stelle einen Kohlendioxidspeicher dar, wenn es als Baustoff oder für Möbel genutzt wird. Als Brennstoff sei Holz zumindest klimaneutral.
Ortsvorstand Jonas Grzesiak bedankte sich bei René Frank abschließend mit einem Weinpräsent für die ebenso erschreckende wie informative Waldführung.