Zukunft der Mobilität
Verkehrsminister Winfried Hermann referierte in Lauda
Der Veranstaltungsort hätte nicht besser zum Thema passen können. Im Bahnhof Lauda sprach Verkehrsminister Winfried Hermann auf Einladung der Grünen Main-Tauber über die Mobilität der Zukunft.
Kreisvorsitzende Birgit Väth bedankte sich einleitend bei Bürgermeister Maertens und der Stadt Lauda dafür, dass sie die Bahnhofshalle für den Vortrag zur Verfügung gestellt hat. Neben dem prominenten Redner konnte sie mehrere Bürgermeister aus dem Landkreis und Vertreter von Bürgerinitiativen sowie den Betreuungsabgeordneten der Grünen, MdL Hermino Katzenstein, begrüßen.
Vor vollem Haus wollte Hermann, inzwischen fast dienstältester Verkehrsminister Deutschlands, nicht auf die Erfolge der grün geführten Landesregierung eingehen. Vielmehr wolle er in die Zukunft schauen. Angesichts der Tatsache, dass wir heute mit dem Schienennetz eine Infrastruktur nutzen, die über 100 Jahre alt ist, plädierte er für eine längerfristige Perspektive über die nächsten 20 bis 30 Jahre.
Verkehr muss klimafreundlich werden
„Seit 30 Jahren gibt es Klimapolitik“, so Hermann, „im Verkehr haben wir jedoch noch immer dieselben CO2-Emissionen wie vor 30 Jahren“. Laut dem völkerrechtlich verbindlichen Klimaschutzabkommen von Paris müsse bis 2050 weitestgehende Klimaneutralität erreicht werden. Das sei eine gewaltige Herausforderung, je später man damit beginne, umso größer werde sie. „Der Verkehrssektor ist zu 94% abhängig von fossiler Verbrennung“, stellte er fest. Die Motoren seien immer größer, stärker und effizienter geworden, hätten aber nur „das Klima effizienter ruiniert“.
Der Minister setzt sich für eine nachhaltige Mobilität ein, die klimafreundlich und bezahlbar sein müsse. Zukünftig würden die Menschen „multimodal mobil“ sein und dafür Ketten aus verschiedenen Verkehrsmitteln nutzen. Eine große Rolle spiele hierbei die Digitalisierung. Fahrzeuge könnten geteilt (car-sharing) oder gemeinsam genutzt werden (ride-sharing). Er sehe auch große Chancen für autonom fahrende Busse. Noch sei aber nicht entschieden, welche Mobilitätsform sich durchsetzen wird, das Auto oder der Fuß- und Fahrradverkehr. Die Gemeinderäte bestimmten darüber, wie viel Platz sie den Autos lassen wollen.
Die Landesregierung habe sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 im Verkehr 40% CO2 einzusparen. Jedes dritte Auto soll klimaneutral unterwegs sein. Jede dritte Tonne soll klimaneutral transportiert werden, jeder zweite Weg selbstaktiv zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden und es soll ein Drittel weniger Kraftfahrzeuge geben.
Schienenverkehr attraktiver machen
Hermann will den Schienenverkehr attraktiver machen. Bis 2030 sollen sich die Fahrgastzahlen verdoppeln. Es soll „ein verlässliches Angebot im Stundentakt von früh morgens bis spät abends“ geben. Bei der Umsetzung dieser Pläne habe er jedoch die Rechnung ohne die Bahnindustrie gemacht. Sie sei nicht in der Lage gewesen, die lange bestellten Fahrzeuge rechtzeitig oder überhaupt zu liefern. Verantwortlich dafür sei die Politik, die „die Bahn über mehrere Jahrzehnte heruntergefahren und nicht saniert hat“. Außerdem fehle es an Lokführern. Wenn einer krank werde, gebe es keine Reserve, so dass dann auch die Züge ausfallen. Stolz verwies er auf ein Projekt in Mannheim, Geflüchtete zu Lokführern auszubilden. Die allein könnten die Lücken aber nicht schließen. Der Anfang nach dem Wechsel des Betreibers auf der Frankenbahn von der Deutschen Bahn zu GoAhead „wird holprig sein“, prophezeite der Minister, „weil Züge nicht geliefert werden“.
Autobahnen elektrifizieren
Nur noch 18% aller Tonnen werden derzeit auf der Schiene transportiert, 75% mit dem LKW. Minister Hermann kritisierte, dass die Güterbahnhöfe größtenteils aufgegeben und mit Einkaufszentren oder Wohnungen überbaut wurden. „Die Lagerhallen von heute sind die Güterbahnhöfe von einst“, meinte er. Während die LKW ständig weiter entwickelt wurden, sei die Technik bei der Bahn stehen geblieben. Die Güterwagen sähen heute noch genauso aus wie vor 50 Jahren. Große Möglichkeiten, mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern, sieht der Verkehrsminister nicht, weil die Bahn das gar nicht schaffen könne. Deswegen sei er dafür, die Autobahnen zu elektrifizieren.
ÖPNV und Radinfrastruktur verbessern
Für den ÖPNV auf der Straße sind die Landkreise zuständig. Das Land bezuschusse aber Regiobuslinien dort, wo es keinen Schienenverkehr gibt. Eingesetzt würden moderne, barrierefreie Busse mit WLAN.
Mit einem Landesradverkehrsplan hat das Land ein landesweites Radwegenetz ausgewiesen. Die Fahrradmitnahme im ÖPNV wurde geregelt. Außerdem wurde ein Programm „Radkultur“ aufgelegt, um das Fahrradfahren attraktiver zu machen. Die modernen Pedelecs ermöglichten es auch älteren oder wenig trainierten Personen, das Rad zu nutzen.
Fußverkehr fördern
„Selbst der überzeugteste Autofahrer“, so Hermann, „ist auch Fußgänger“. Zur Förderung des Fußverkehrs fordert er abgesenkte Bordsteine und will 1.000 neue Zebrastreifen im Land einrichten. Im Unterschied zu Ampeln brächten sie weniger Wartezeit für den Kfz-Verkehr, „und der Fußgänger hat immer Vorfahrt“. Ausgewählten Kommunen bietet das Land einen kostenlosen Fußverkehrscheck an.
Straßen sanieren
Bei den Straßen habe die Sanierung Vorrang. Etwa zwei Drittel des Geldes fließe in den Erhalt, vor allem bei den Brücken, die ihre Lebensdauer von 50 bis 70 Jahren erreicht hätten und teils durch Neubauten ersetzt werden müssten. Das sei extrem teuer, aber notwendig.
Rege Diskussion
In der Diskussion wurde der Minister gefragt, wo der saubere Strom für die Elektromobilität herkommen soll. Wenn alle PKW elektrisch fahren würden, so seine Antwort, werde nur 15% mehr Strom gebraucht als heute. Das komme durch die viel höhere Effizienz der Elektromotoren gegenüber den Verbrennern. Neben den großen Stromleitungen vom Norden in den Süden sei er auch für die dezentrale regenerative Stromerzeugung im Land.
Eleonore Seubert sprach ihn auf die Wiederaufarbeitungsanlage in Gerlachsheim und Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt an. Hier antwortete Hermann, dass er an Gesetze gebunden sei, seinen Ermessensspielraum jedoch im Sinne der Bürgerschaft nutzen wolle, wenn die untere Verkehrsbehörde ein Tempolimit anordne und dies am Ende auf seinem Schreibtisch lande. Die Straßenverkehrsordnung sei leider darauf ausgerichtet, „viel Verkehr zu ermöglichen“, statt die Interessen der Anwohner zu schützen.
Aus Zeitgründen konnten nicht mehr alle Fragen des interessierten Publikums berücksichtigt werden. Birgit Väth bedankte sich bei Verkehrsminister Hermann mit einem Buchgeschenk. Der kräftige Applaus zum Abschied deutet darauf hin, dass er auf viel Zustimmung gestoßen ist.